Fünf Uhr dreißig. Unser erster Wecker klingelt, den ich im Halbschlaf ausschalte. Fünf Uhr fünfzig. Der zweite Wecker klingelt. Auch den stelle ich aus und falle in mein Kissen zurück. "War das etwa schon der zweite?", stöhnt Lotte, danach fallen ihr die Augen wieder zu. Um sechs klingelt der dritte und letzte Wecker und wir einigen uns stumm darauf, wer heute als erstes aufstehen muss; meistens wechseln wir uns ab.
Es besteht eine 50:50 - Chance, welchen der beiden folgenden Sätze man dann aus dem Bad hört: "Na toll, wir haben wieder kein Wasser" oder "Oh, das Wasser geht, sogar oben aus dem Duschkopf!" Im ersten Fall wird dann abgewogen, ob eine Katzenwäsche reicht oder auch die Haare mit Brunnenwasser gewaschen werden wollen.
Um 06:45 Uhr, mittlerweile haben wir es beide aus dem Bett und durch's Bad geschafft, gehen wir rüber in Kajas Küche, um dort zu frühstücken: Jeder einen heißen Kakao oder Tee und zwei Scheiben Weißbrot mit Banane oder "Topchoco", je nachdem, was wir besorgt haben.
Um 7:15 Uhr flitzen wir nochmal in unser Zimmer, putzen die Zähne und wechseln von den Hausschuh-Flip-Flops zu alltagstauglichen Sandalen. Dann holen wir die Kiste mit den Bleistiften, Kullis, Radierern und Anspitzern aus dem Klassenraum nebenan und setzen uns damit vor das Office - der Ansturm an Schülern, die noch eben einen Pen brauchen ist mal mehr mal weniger gewaltig, aber mit den Krippenkindern, die sich um uns herum versammeln, um uns zu begrüßen und unsere Haare anzufassen, kann man zuverlässig rechnen.
Gegen 8 Uhr beginnt die Assembly. Die Kinder stellen sich klassenweise auf dem Schulhof auf, die Lehrer gehen mit ihrem Schlagstock durch die Reihen und korrigieren diese, wo nötig, mit einem Schlag an die Wade oder auf den Kopf - Lotte und ich können die zunächst angst- und dann schmerzverzerrten Gesichter der Kinder nur schwer ertragen, wurden aber auf dem Vorbereitungsseminar darauf hingewiesen, dass wir uns nicht in der Position befinden, etwas gegen das "Canen" zu sagen; schließlich ist es ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit, das an unserer Schule leider auch im Unterricht regelmäßig eingesetzt wird.
Auf ein Kommando hin beginnen die Kinder, ein christliches Lied zu singen oder den Psalm 23 aufzusagen, dann folgen das Vaterunser, die ghanaische Nationalhymne und der Vaterlandsschwur, bevor sie im Gleichschritt und mit schwingenden Armen zum Takt der Trommelschläge in ihre Klassen marschieren.
Mittwochs findet stattdessen die Worship statt: Jeweils die Parallelklassen eines Jahrgangs halten zusammen eine halbstündige Andacht. Lotte und ich schauen meistens bei den Krippenkindern zu, die rhythmische Sprüche und kurze Gebete aufsagen, etwa "I have a J, I have an E, Suuuuper-S, U, another Suuuuper-S, what have you got? - JESUS!"
In der zweiten Stunde unterrichte ich die 3b. Noch bevor ich den Klassenraum überhaupt betreten habe, werde ich mit "Bonjour madame" begrüßt - das rufen uns die Kinder manchmal sogar auf dem Schulhof zu; wenn sie dann auch meine Frage "Comment ça va?" - Wie geht es dir? - richtig beantworten können, bin ich besonders stolz.
Als erstes teile ich die Namensschilder aus, die ich die Kinder in der allerersten Stunde habe malen lassen, um ihre Namen schnell zu lernen. Manche haben den Zweck noch immer nicht ganz verstanden und stellen ihr Schild verkehrt herum auf, trotzdem kann ich viele Kinder mittlerweile mit ihrem Namen ansprechen, was es gerade bei Unruhe leichter macht, die Klasse wieder in den Griff zu bekommen und auch außerhalb des Klassenraumes für eine persönlichere Beziehung zu den Kindern führt.
Heute will ich in der 3b die Zahlen einführen, dazu schreibe ich die französischen Zahlwörter als Stern angeordnet an die Tafel - die Kinder sollen sie in der richtigen Reihenfolge verbinden. Das klappt auch ganz gut, weil sie schnell durchschaut haben, dass am Ende ein Stern entstehen soll. Auf der rechten Seite der Tafel schreibe ich die Zahlwörter nun noch einmal geordnet untereinander an, daneben eine Sonne, zwei Augen, vier Autos und neun Blumen. Den Rest der Stunde verbringen die Kinder mit dem Abschreiben und -malen. Manche sind sich unsicher und bitten mich, das ein oder andere für sie in ihr Heft zu malen, sind dann aber besonders stolz, wenn ich ihren eigenen mehr oder weniger gut gelungenen Versuch lobe. Die Kinder arbeiten sehr unterschiedlich schnell, weil die einen es ordentlicher machen als die anderen und sich manche auch gerne ablenken lassen. Den Kindern, die früh fertig sind, gebe ich das Französischlehrbuch, in dem sie etwas blättern und lesen sollen. Obwohl sie natürlich noch nicht viel verstehen können, haben sie daran großen Spaß und fragen auch oft interessiert nach, wie man dies oder jenes ausspricht und was es bedeutet. Am Ende der Stunde darf das Kind, das als erstes fertig war, nach vorne kommen und aus der "French Music Box", die Lotte gebastelt hat, einen Zettel ziehen, der das französische Lied bestimmt, das wir uns dann zusammen über meinen Bluetooth-Lautsprecher anhören. Dabei sind oftmals auch die sonst noch so schüchternen Kinder richtig ausgelassen und Lotte und ich staunen, was die Kids für Tanz-Moves drauf haben!
Nach der einzigen Hofpause des Tages habe ich die 3a. Mit dieser Klasse habe ich die Zahlen schon gelernt, heute will ich ihnen das Vokabular für den Zahlen-Song, den ich bei YouTube gefunden habe, beibringen. Auch hier versuche ich es wieder mit Symbolen, die ihnen das Behalten der Bedeutung erleichtern sollen: Neben "on apprend" - wir lernen - male ich ein Kind mit einem Buch, neben "c'est vraiment beau" - das ist wirklich toll - einen ausgestreckten Daumen. Leider geht für das Abschreiben wieder die ganze Stunde drauf, das Singen des Songs verschiebe ich also auf das nächste Mal, aber für die French Music Box ist am Ende trotzdem noch Zeit, sonst würden sich die Kinder auch beschweren!
Jetzt ist es 11:30 Uhr und während die Schüler ihre vierte Unterrichtsstunde haben, holen Lotte und ich uns schon unser Mittagessen von den Schulköchinnen - montags, mittwochs und freitags gibt es Reis, dienstags Spaghetti und donnerstags Yam - und setzen uns damit auf die Terrasse zu ein paar Lehrern, die eine Freistunde haben. Dann klingelt es auch für die Kinder zur Pause - wobei den Job einer Schulklingel ein Schüler übernimmt, der mit einer Glocke in der Hand über den Schulhof läuft und "Lunch time, please" bzw. "Next lesson, please" ruft.
Lotte und ich schnappen uns die Library - eine große Box mit 50 Büchern drin - und machen uns damit auf den Weg in eine Klasse, meistens wenig selbstbestimmt, da wir auf dem Schulhof schon von Kindern empfangen und in ihre Klasse gelotst werden. Der Ansturm ist riesig; die Kinder haben großen Spaß daran, die Kinderbücher, die größtenteils sogar aus Ghana kommen, leise für sich oder mit mehreren Kindern laut im Chor zu lesen.
Dann folgen die beiden letzten Stunden des Tages, oder am Freitag die "Friday-Activity": Das ist jede Woche ein großes Event, bei dem mal Sackhüpfen, mal Volleyball gespielt, mal ein Buchstabierwettbewerb veranstaltet wird.
Gegen 15 Uhr ist die Schule aus. Jetzt sind nur noch die Buskinder da, denen Lotte und ich die Wartezeit mit ein paar Springseilen oder Jonglierbällen verkürzen, und die Form-3-Schüler, die dieses Jahr ihre Abschlussprüfungen schreiben und in Vorbereitung darauf länger Unterricht haben.
Bald ist auch der letzte Bus abgefahren und es kehrt Ruhe ein auf dem Schulgelände. Lotte und ich machen uns auf den Weg zum Markt, machen einen Spaziergang durch's Dorf oder setzen uns mit einem Buch auf das Dach, von wo man so eine tolle Sicht auf die Stadt hat.
Um 18 Uhr ist es dunkel, spätestens jetzt sind wir vom Markt zurück oder schlagen unser Buch zu, sprühen uns mit Insektenschutz gegen die Mosquitos ein und kochen das Abendessen, wofür Sandra uns die Zutaten in Kajas Küche stellt.
Anschließend bereiten wir unseren Unterricht für den nächsten Tag vor und gucken vielleicht noch eine Folge von der Agentenserie, die wir uns billig auf dem Markt gekauft haben, dann fallen wir gegen halb zehn erschöpft ins Bett.
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