In den letzten Wochen ist eigentlich nicht viel Neues passiert. Unser Unterricht besteht zur Zeit hauptsächlich daraus, die Schüler auf die noch vor Weihnachten anstehenden exams vorzubereiten. Dabei fallen uns die erheblichen Leistungsunterschiede innerhalb der Klassen besonders auf: Wenn manche Schüler es nicht einmal schaffen, richtig anzukreuzen, dass "zero" auf französisch "zéro" heißt und nicht "vingt" und auch nicht "sept", würde ich wirklich langsam an meinen Lehrfähigkeiten zweifeln, wären da nicht auch diejenigen, die immer alle Fragen in Rekordzeit korrekt beantworten. Ich hoffe, dass es jenen, die offenbar nicht so viel aus meinem Unterricht mitnehmen, im Examen helfen wird, jede Frage nun schon einmal gelöst zu haben.
Das vorletzte Wochenende haben wir im uns mittlerweile bekannten Accra verbracht, wo wir mit Cecilia und Maren verabredet waren und zufälligerweise noch vier andere Mitfreiwillige getroffen haben. Außerhalb unseres mit Lichterketten und einem Flaschenadventskranz geschmückten Zimmer in der Sygma ist ansonsten nur in den großen Supermärkten hier in der Hauptstadt etwas Vorweihnachtsstimmung zu spüren; in Nsawam fällt es durchaus schwer zu begreifen, dass wir inzwischen Dezember haben, würden mich nicht liebe Päckchen von Tante und Omi daran erinnern.
Nachdem wir dann am letzten Wochenende krankheitsbedingt - Lottes Malaria verlief ganz ähnlich wie meine - zu Hause bleiben mussten, wollen wir uns diesen Freitag also mal wieder auf den Weg machen, etwas Neues zu erkunden. Es soll nach Koforidua gehen, der Hauptstadt der Eastern Region, welche nördlich von Nsawam liegt, sodass wir uns erstmals an die andere Straßenseite der N6 stellen, um ein Trotro anzuhalten, das uns zunächst nach Suhum bringt. Dort angekommen finden wir problemlos eins, das weiter nach Koforidua fährt und nicht mal zwei Stunden, nachdem wir das Tor der Sygma hinter uns zufallen lassen haben, checken wir in das Hotel ein, in dem wir zwei Zimmer reserviert haben - wenig später stoßen nämlich die finnischen Mitfreiwilligen Inka und Laura zu uns.
Nach kurzer Verschnaufpause gehen wir los, um uns die Stadt ein wenig anzuschauen, die viel größer ist, als wir gedacht hatten. Wir überlegen, in einem Restaurant auf Maren zu warten, die einen weiteren Anreiseweg hat und daher länger braucht, entscheiden uns dann aber dafür, auf der Straße zum Drittel des Restaurantpreises und bestimmt genauso lecker zu essen: Ich bestelle eine große Portion Jollof rice mit salad für umgerechnet einen guten Euro.
Maren hatte am Circle in Accra wohl Schwierigkeiten mit dem Umsteigen, dann steht sie auch noch im Stau - ihre Ankunft verzögert sich also noch weiter, sodass wir doch schon zum Hotel zurückkehren, um sie dort in Empfang zu nehmen. Gegen Mitternacht höre ich schließlich unsere Zimmertür aufgehen - die Arme nimmt aber alles gelassen; jetzt sei sie ja da!
Nichtsdestotrotz stehen wir am Samstag früh auf, schließlich haben wir eine Menge vor! Auf dem Weg zur Trotrostation frühstücken wir Wassermelone und Bofrot (eine Art Quarkbällchen; superlecker), dann geht es los: Über holprige Wege, deren Sand viel roter ist als bei uns in Nsawam, Richtung Boti-Falls. Nach halbstündiger Fahrt lässt uns der Fahrer an einem unscheinbaren Schild aussteigen, das den Eingang zum Reservat markiert. Wir können uns gerade so vor den uns umzingelnden Wasser- und Kakaofruchtverkäuferinnen retten und kommen nach kurzer Diskussion mit der Kassenwärterin zum reduzierten Preis herein.
Wir nehmen für einen Moment auf einer in den Ghana-Farben gestrichenen Holzbank Platz, dann begrüßt uns der Guide, der uns und eine dreiköpfige, ebenfalls europäische Familie zunächst zum Umbrella-Rock und dann zu den berühmten Wasserfällen führen wird. Die ersten Meter unseres Weges unterscheiden sich kaum von einem heimischen Wald, dann geht es jedoch durch schulterhohe Gräser und schließlich finden wir uns mitten im Urwald wieder. Hier folgen wir von Wurzeln übersäten Pfaden, klettern über steile Felsen und Felsstufen und überqueren einen kleinen Bachlauf, der eine ganze Weile laut neben uns herplätschert; links und rechts ständig die grünen und beeindruckend hohen Bäume des Dschungels. Manchmal bleiben wir stehen, damit niemand abgehängt wird - der Guide erläutert uns, dass man in Ghana niemals ganz alleine im Wald sein darf, weil die Gefahr besteht, von "Spirits" umzingelt zu werden, die einen mitnehmen und erst drei Jahre später wieder zurückbringen. Wir schmunzeln bei dieser Geschichte, doch der Ghanaer ist fest davon überzeugt. Außerdem dürfe man sich nicht über die Tradition und den traditionellen Glauben lustig machen, das verärgere die spirits.
Nach einer Dreiviertelstunde erreichen wir schließlich den Felsen, dessen Form tatsächlich an einen Regenschirm erinnert, unter dem wir uns erschöpft niederlassen. Wir genießen den Ausblick, machen ein paar Fotos und hören dem Guide zu, der von verschiedenen traditionellen Festivals erzählt und auch vom Fertility stone, zu dem wir uns nun aufmachen. Wenn man diesen Stein berühre, bekäme man Zwillinge oder sogar Drillinge; der Fertility tree jedoch birgt in dieser Hinsicht keine Gefahr.
Erneut überqueren wir den Bachlauf, klettern über Felsen und Felsstufen und folgen von Wurzeln übersäten Pfaden, dann stehen wir wieder am Eingang des Reservats. Von hier aus führen 250 Stufen hinab zu den Wasserfällen. Zu unserem Erstaunen ist es ausdrücklich erlaubt, baden zu gehen - eine willkommene Abkühlung nach der anstrengenden Wanderung, denn das Wasser ist viel kälter als ich gedacht hätte.
Ein Blick auf die Uhr sagt uns, dass wir erst frühen Nachmittag haben, sodass wir uns für einen weiteren Ausflug an die ganz in der Nähe gelegenen, aber wohl weniger touristischen Akaa-Falls entscheiden.
Dieses Mal nehmen wir das Angebot der Kakaofruchtverkäuferinnen an und spazieren also kakaokernlutschend Richtung Bosomtwe. "It tasts like anything else than I expected cocoa to taste like", beschreibt Laura den süß-säuerlichen Geschmack des glipschigen essbaren Teils der Frucht treffend - ein Rätsel, wie daraus Schokolade entstehen soll.
Nach kurzem Fußmarsch hält nehmen uns ein Trotro, in das wir uns für den Rest der Strecke quetschen, die zu Fuß doch recht lang gewesen wäre. Dort, wo wir herausgelassen werden, weist uns ein noch spärlicheres Schild als zuvor bei den Boti-Falls den Weg, der uns aber nicht zu einem Eingangsbereich mit Kassenhäuschen, sondern in die Mitte eines kleinen, im Wald gelegenen Dorfes führt. Schnell bemerken uns zwei Teenager und eine ältere Frau; "yes, here is Akaa-Falls, das macht dann 20 Cedi, bitte". In Lottes Reiseführer stand etwas von 5 Cedi, doch die Frau lässt kaum mit sich handeln. Wir drehen uns schon zum Gehen, da ruft sie uns hinterher, jeder bezahlt ihr 5 Cedi und schon geht es los ins Dickicht, die beiden Jungs führen uns. Der Weg ist ähnlich wie am Morgen, aber viel kürzer, denn schon bald stehen wir an einer großen Felsformation, an deren Rand wir uns niederlassen, um den Ausblick zu genießen. Am Fuße dieses Felsens hören wir den Wasserfall rauschen, zu dem wir die letzten Stufen hinabsteigen. Obwohl er viel kleiner ist als die beiden Boti-Falls, ist er trotzdem sehr beeindruckend, gerade die vielen kleineren Wasserläufe, die sich über den Felsen ziehen, gefallen mir.
Als wir die Treppen wieder hochsteigen, stößt ein Mann zu uns, der uns anbietet, uns noch zu einem anderen Felsen und sogar zum Ursprung des Wasserfalls zu führen. Der Fels erinnert an den Umbrella-Rock, der Ausblick, den wir von hier haben, an das Shai Hills Reserve, wobei die Landschaft dort aus weniger Urwald und dafür mehr Steppe bestand.
Wir klettern von dem Felsen wieder herunter und sprühen unsere Fußgelenke vorsichtshalber mit Mückenschutz ein, denn der jetzt folgende "Weg" führt querfeldein durch's Buschland und ich glaube, die uns vorausgehenden Einheimischen sind diejenigen, die den Pfad gerade erst für uns erschaffen. Plötzlich stehen wir auf einer Felsebene, von der aus wir den Punkt sehen, an dem wir zuvor am Wasserfall standen. Trotzdem hatte ich mir den "Ursprung des Wasserfalls" irgendwie beeindruckender vorgestellt... Dann jedoch führen uns unsere Guides ein Stück weiter, nun ist der Fels durchzogen von einem Wasserlauf, der sich fast wie ein kleiner Fluss über den Stein schlängelt - "SO habe ich mir das schon eher vorgestellt", sage ich, die außergewöhnliche Natur bewundernd, die schwer in Worte zu fassen ist.
Wir laufen ein Stück am Wasser entlang, dann wieder über einen Pfad und plötzlich stehen wir wieder auf der Hauptstraße des Dorfes, so als hätte es den Wasserfall, den Felsen und den Bach darauf nie gegeben.
Wir bedanken uns vielmals bei den Jungs und dem Mann, die uns in diese versteckte Welt geführt haben und steigen dann in ein Trotro zurück nach Koforidua. Wir essen wieder bei dem Stand vom Vorabend und gehen dann erschöpft vom Wandern, Klettern und den vielen neuen Eindrücken früh ins Bett - nicht jedoch, ohne vorher den von Maren mitgebrachten Lebkuchen zu verputzen.
Am Sonntagmorgen werden wir früh vom lauten Gottesdienst, der vermutlich direkt neben dem Hotel stattfindet, geweckt, wir wollten aber ohnehin nicht zu spät aufstehen, um uns noch in Ruhe den Markt anzugucken, der aber, wie wir bald feststellen müssen, Sonntag vormittags wenig belebt ist. Während Inka und Laura sich schon von uns verabschieden, sitzen Maren, Lotte und ich noch eine Weile in einem Café und sehen uns kurz im Supermarkt um, dann treten auch wir die Heimreise an.
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Heike (Samstag, 08 Dezember 2018 11:32)
Sehr anschaulich beschrieben! Toll, dass du ihr das Land erkundet und mutig durch den Dschungel geht! Und mich würde ja sehr interessieren, wie dort Gottesdienst gefeiert wird �
Alles gute weiterhin!