In den ersten Tagen nach unserer Rückkehr aus den Weihnachtsferien liegt die Priorität zunächst darauf, Würmer und Termiten, dann Mäuse, die uns Pumpernickel und Schlaf rauben, aus unserem Zimmer zu schaffen. Wir hoffen, dass wir jetzt erst einmal eine Weile verschont bleiben.
Ein wenig verspätet kann ich am ersten Schultag endlich voller Vorfreude die lieben Grüße von meiner Tante und meiner besten Freundin und zwei Weihnachtspakete aus der Heimat von der Post abholen, die meine Familie wieder unfassbar lieb gepackt hat - an Plätzchen, Schokolade und weihnachtlicher Deko habe ich trotz Hitze und längst vergangener Adventszeit viel Freude und den Adventskalender funktioniere ich bald kurzerhand zum Countdown um, mit dem ich mir die Tage bis zur Ankunft meiner Lieben versüße.
Zeitgleich erreicht mich die Nachricht, dass auch mein Weihnachtspaket zu Hause angekommen ist, mit dem ich meiner Familie erste Einblicke in meinen ghanaischen Alltag ermöglichen will.
Während zu Hause alles seinen gewohnten Weg geht, erzählen mir Freunde am Telefon von ihren ersten spannenden Unimonaten, in denen so viel Neues passiert. Auch Lotte und ich entdecken immer noch neue Wege und Orte, an denen wir noch nicht waren oder die uns einfach noch nicht aufgefallen sind und probieren weiter fleißig neue Rezepte aus, die wir seit neuestem sogar in einem eigenen Kochbuch festhalten!
In der ersten Schulwoche muss erst einmal alles „arrangiert“ werden, wie Sandra uns erklärt - heißt: Es findet noch kein Unterricht statt, weil weder Lehrer noch Schüler bereits vollzählig da sind. Dafür geht es aber ab der zweiten Woche richtig rund: In der Primary wurden Klassen zusammengelegt, sodass Lotte und ich nun immer doppelt so viele Kinder unterrichten müssen wie bisher - was nicht gerade eine Senkung des Lautstärkepegels zur Folge hat... In der 3b küre ich zur Zeit beinahe regelmäßig eine neue schlimmste Stunde aller Zeiten und freue mich, wenn wenigstens eine Handvoll Kinder auf ihren Plätzen sitzen und arbeiten - alle dazu zu bringen habe ich mittlerweile fast aufgegeben, jedenfalls an den schlimmen Tagen. Dennoch bin ich manchmal überrascht, wie gut eine neue Exercise klappt oder wie viel die Kinder in den vergangenen Monaten schon gelernt haben und dann bin ich doch auch ein wenig stolz!
Ende Januar steht für Lotte und mich das Midterm-Camp an, wozu ich mich erstmals alleine auf eine Reise begebe, denn Lotte kommt erst in zwei Tagen nach. Wir erinnern uns selbst an ein altes Ehepaar, als wir uns am Trotro, das mich nach Kumasi bringen soll, voneinander verabschieden, schließlich haben wir in den ganzen fünf Monaten noch nicht eine Nacht getrennt verbracht!
Das Camp selbst gefällt mir gut; es ist schön, alle wiederzusehen und unglaublich motivierend und inspirierend, sich in den lockeren Einheiten über Erlebtes auszutauschen und zu hören, was die anderen so in ihren Projekten machen und wie begeistert die Februarfreiwilligen von ihrem Jahr erzählen, das nun bald zu Ende geht. Außerdem wird Lotte und mir bewusst, dass wir mit der Sygma wirklich großes Glück haben: Anders als manche Mitfreiwillige haben wir weder Aufgaben, die uns nicht gefallen, noch strenge Aufsichtspersonen, die uns die Freizeit nicht gönnen und obendrauf dürfen wir als einzige für uns selbst kochen, wovon wir ja auch gut und gerne Gebrauch machen!
Voller Vorfreude auf das, was noch kommt, und motiviert, das Closing, also die Zeit, in der die Kinder auf den Schulbus warten, spannender zu gestalten, einen Plan für die Library anzulegen, vielleicht Sportunterricht einzuführen, unsere Twi-Kenntnisse zu verbessern und zu versuchen, etwas mehr Kontakt zu Locals aufzubauen, machen wir uns auf den Weg zurück nach Nsawam und damit fast schon in die zweite Hälfte unserer Ghanazeit.
Den letzten Punkt nehmen wir gleich wenige Tage später in Angriff, als wir Madam Glorias Einladung zum Kochen bei ihr zu Hause folgen. Die Kindergartenlehrerin hat wohl schon immer ein großes Interesse an den Freiwilligen und insbesondere an den Vorteilen, die sie sich von diesen Bekanntschaften erhofft, zu uns war sie bisher aber immer nur sehr nett. So macht auch der Kochabend unter freiem Himmel viel Spaß und die leckere Contombre-Stew hat sich ihren Platz in unserem Kochbuch wirklich verdient!
Mittlerweile schreibt mir meine Mama täglich, wie aufgeregt schon alle sind und wie sehr sie sich auf die Reise freuen und dann ist der große Tag endlich da! Ich mache mich mittags auf den Weg nach Accra und checke schon mal in das schicke Hotel ein, dass Papa extra gebucht hat, damit ich auch mal ein wenig richtigen Urlaub habe. Ich schwimme einige Runden in dem kleinen Pool, genieße eine heiße Dusche und fahre dann früher als nötig zum Flughafen. Kurz vor der geplanten Landezeit entdecke ich in der wartenden Menge Cecilia, die zufälligerweise auch heute ihre Familie empfängt. Der Flug ist trotz starkem Gewitter fast pünktlich, nur die Gepäckaufgabe zieht sich ziemlich in die Länge, sodass wir gute zwei Stunden voller Aufregung und Vorfreude darauf warten müssen, unsere Familien endlich in die Arme schließen zu können.
Die alte Vertrautheit ist bald zurück und wir unterhalten uns noch lange sehr nett in unserem schönen Hotelzimmer - mal ganz ohne Ruckler, Rauschen, Verzögerungen und Hallen -, meine Schwester und ich sogar bis tief in die Nacht.
Am nächsten Morgen gibt es ein tolles Frühstück mit Croissant, Marmelade und Honig, frischem Obst und Joghurt (!), gut gestärkt machen wir uns also auf Erkundungstour durch Accra. Zwischen Osu, Independence Square und James Town können Mama, Papa und Julia gar nicht glauben, wie anders alles ist - man könne es sich ja nicht vorstellen, meint Mama immer wieder und erinnert dabei nicht wenig an ihre Mutter, wenn die über etwas staunt.
Am frühen Abend kommen wir in Doboro an, einem Nachbarort von Nsawam, in dem meine Familie sich ein Zimmer in einem Hotel gebucht hat, das ich vorher ausgekundschaftet hatte. Ein wenig ernüchtert schauen sich die drei in dem kleinen Raum mit nur einem Bett und einer funzeligen Lampe um, versichern mir aber schnell, dass es völlig in Ordnung sei - immerhin gibt es fließendes Wasser und sogar einen Kühlschrank.
Bevor ich (noch bei Tageslicht - „dafür sind wir deine Eltern“) wieder zur Sygma fahre, werde ich mit unendlich vielen Mitbringseln beschenkt - ich hatte in den letzten Wochen eine lange, lange Liste zusammengetragen und meine lieben Eltern haben von Marmelade über Moskitospray bis hin zu Unterhosen, die von der Handwäsche nicht ausleiern, wirklich an alles gedacht und bringen bei jedem unserer Zusammentreffen in den nächsten Tagen immer noch wieder etwas mit - habt ganz, ganz lieben Dank, ihr seid wirklich die Besten!!!
Während meiner Überlegungen, was wir in unserer gemeinsamen Zeit trotz meiner Verpflichtungen in der Schule unternehmen können, hatte ich auch die Idee, Julia einmal meinen kompletten Alltag miterleben zu lassen. Als ich ihr von dem Plan berichte, ist sie gleich begeistert und Mama und Papa verstehen auch meine Sorge, dass zwei erwachsene Obronis sowohl Schüler als auch Lehrer wohl überfordern würden und dass es vielleicht das Beste ist, wenn sie erst zum Closing dazukommen, wenn schon nicht mehr ganz so viel los ist.
Am Montagmorgen stehe ich also besonders früh auf, um Julia aus Doboro abzuholen, die schon ganz aufgeregt ist. Gegen halb acht treffen wir an der Schule ein und schnappen uns gleich die Box für den Pencilverkauf, zu dem auch Lotte bald dazukommt, die meine Schwester sehr herzlich begrüßt und willkommen heißt. Einige Schüler gucken nur irritiert, dass wir plötzlich zu dritt sind, andere bombardieren Julia mit Fragen, die sie tapfer zu beantworten versucht - an das ghanaische Englisch muss man sich eben erst gewöhnen; zugegebenermaßen habe auch ich manchmal noch so meine Schwierigkeiten!
Lotte muss gleich in der ersten Stunde unterrichten, in der Zeit machen Julia und ich es uns in der Küche gemütlich, frühstücken, quatschen und planen unsere gemeinsame Stunde in der ersten Klasse. Dann zeige ich ihr unser Zimmer, das mittlerweile doch wirklich sehr wohnlich geworden ist.
In der Pause gehen wir mit der Bücherbox in die zweite Klasse und die Kinder stürzen sich wie immer auf die Storybooks. Julia staunt über die begeisterten Leser, traut sich aber nicht so recht, sich zu einem Kind zu setzen und sich vorlesen zu lassen, wie Lotte es oft macht, während ich darauf achte, dass mit den Büchern nicht allzu achtlos umgegangen wird. Gerade wird sie aber auch von Difa in Beschlag genommen, einem süßen Mädchen aus der Krippe, das meine Schwester mit ihren großen, runden Augen bestaunt und ihre Hand nicht mehr los lässt.
Als es zum Ende der Pause klingelt, holen wir schnell die Unterrichtssachen - Musikbox, Zettel und Buntstifte - und machen uns auf den Weg in die erste Klasse. Dass ich meine Schwester dabei habe, ist natürlich ein super Aufhänger, um die Vokabeln zu unserem aktuellen Thema zu wiederholen; anschließend sollen die Schüler ihre Familie zu Papier bringen. Bis auf die korrekte Beschriftung klappt das auch ganz gut, sodass ich am Ende die Schülerin, die am besten mitgearbeitet hat, einen Song aus der Box ziehen lasse, zu dem alle ausgelassen tanzen.
Nach dem Mittagessen statten wir noch Madam Glorias Kindergartenklasse einen Besuch ab und die Kinder stellen unter Beweis, dass sie mindestens genauso anstrengend sein können wie die Erst- und Zweitklässler. Dann kommen schon bald Mama und Papa, mit denen ich mich in die Küche zurückziehe, während Julia noch die Zeit mit den Kleinen genießt, bevor wir zusammen zum Closing gehen. Die Kinder können wieder gar nicht genug von dem Klatschspiel bekommen, das ich ihnen neulich beigebracht habe, aber ich setze mich irgendwann ab, um Mama und Papa über das restliche Schulgelände zu führen.
Damit nicht genug, denn ich will meiner Familie natürlich auch den Weg nach Nsawam zeigen, den Lotte und ich so oft gehen, nachdem wir uns anfangs nicht hätten vorstellen können, dass wir uns jemals ohne Sandras Hilfe an die Route erinnern werden können. Als wir schließlich auf dem Markt ankommen, wo wir die Zutaten für das gemeinsame Abendessen einkaufen wollen, sind die drei schwer beeindruckt von dem vollen, lauten und bunten Treiben - und auch wie ich mich darin mittlerweile zurechtfinde. Ich erinnere mich noch genau an meinen allerersten Marktbesuch zurück, an dem ich völlig überfordert war von den ganzen neuen Eindrücken und niemals gedacht hätte, dass ich mich hier jemals auskennen, geschweige denn wohlfühlen werde.
Zurück an der Sygma kochen wir gemeinsam Yam mit Contombre-Stew, wie Lotte und ich es erst neulich bei Madam Gloria gelernt haben - nur dass wir statt offenem Feuer unseren Gasherd benutzen. Es schmeckt allen super, sodass vom Kelewele, das ich als Nachtisch gedacht hatte, das meiste übrig bleibt - halb so schlimm, dann haben wir gleich ein Frühstück für Dienstag.
Seit zwei dritte Klassen zusammengelegt wurden, habe ich am zweiten Tag der Woche gar keinen
Unterricht mehr, was es uns heute ermöglicht, einen größeren Ausflug zu machen. Kurz nach dem Pencilverkauf erwarten Mama, Papa und Julia mich am Schultor und wir steigen gemeinsam in ein Trotro
nach Suhum, dann nach Koforidua und schließlich zu den Boti-Falls, wo wir nach insgesamt
drei Stunden Fahrt durch grüne Natur, kleine Dörfer und über rote Sandwege ankommen.
Für den Umbrella-Rock fehlt uns leider die Zeit, also steigen wir ohne Umweg die 250 Stufen zum Wasserfall hinunter, der wegen der Trockenzeit aktuell nur ein recht schmaler Strahl ist.
Halb so schlimm, denn der Höhepunkt des Tages kommt erst noch: Wie auch bei meinem ersten Besuch in dieser Gegend fahren wir nämlich anschließend zu den nahe gelegenen, viel weniger touristischen (und deutlich preiswerter zu besichtigenden) Akaa-Falls. Hier sind neben dem eigentlichen Wasserfall die Felsformationen und der Blick auf den Urwald sehr beeindruckend und es gefällt den anderen genauso wie mir, dass man sich ohne Führer frei bewegen und umschauen kann. Wir verbringen eine ganze Weile am Wasserfall und auf den Felsen sitzend, dann drängt die Zeit etwas, immerhin haben wir noch eine lange Rückfahrt vor uns, während der ich so fest einnicke, dass wir versehentlich an Nsawam vorbeifahren und erst in Doboro aussteigen, das Mama zum Glück rechtzeitig wiedererkannt hat. Hier kehren wir in ein typisches Restaurant mit Plastikstühlen und lauter Musik ein und meine Familie probiert erstmals fried rice und jollof-rice - vielleicht hätte ich sie vorwarnen sollen, dass letzterer für untrainierte Zungen etwas scharf sein kann.
Für Mittwoch und Donnerstag war eigentlich ein Ausflug ohne mich in das Shai Hills Reserve angedacht, aber nach den letzten Tagen sind alle so erschöpft, dass der
Plan zugunsten eines Ruhetages geändert wird - so haben wir ja auch mehr Zeit zusammen! Während ich also vormittags in der Schule bin, probieren Mama, Papa und Julia den leckeren Blue-Skies-Saft
und kommen dann nachmittags zur Sygma. Ich zeige ihnen den Teil des Dorfes, in dem am meisten Leben herrscht und den Lotte und ich auch erst kurz nach Weihnachten ausfindig gemacht
haben. Mittlerweile sind wir oft dort, wenn wir eine Kleinigkeit besorgen oder uns nur die Füße vertreten
wollen.
Abends kochen wir wieder bei uns, diesmal kein typisches Ghana-Gericht, sondern eine typische Lotte-Lisa-Kreation: Es gibt gekochte Plantain mit roter Gemüse-Ei-Stew - ein Ghanaer würde nie auf die Idee kommen, Gardenegg in eine Soße zu schnippeln, wie Sandra uns schon mehrfach kopfschüttelnd erklärt hat.
Am Donnerstag setzen Mama und Papa vormittags Julia hier ab, die nochmal meinen Unterricht miterleben möchte, und fahren selbst weiter nach Nsawam, um sich - rein aus Interesse - in einem Elektronikmarkt umzusehen. Als Julia und ich dann am frühen Nachmittag völlig erschöpft aus unserer Stunde mit der 3b kommen, sitzt Lotte in Gesellschaft von unseren Eltern in der Küche, die uns, wie sie schon ahnen ließen, tatsächlich mit einem Kühlschrank und einem Ventilator überraschen und uns damit einen Traum erfüllen, von dem wir niemals geglaubt hätten, dass er noch einmal wahr wird! Wir genießen den kühlen Wind in unserem Zimmer und das eisgekühlte Wasser seit jeher in vollen Zügen und auch Grandpa, der meine Familie überhaupt sehr herzlich empfangen hat, ist zum Glück begeistert von den neuen Anschaffungen.
Bevor es nach dieser großen Freude endgültig zu spät wird, machen wir uns nun auf nach Aburi, wo wir eigentlich ein Picknick veranstalten wollten, jetzt aber stattdessen einfach so die Vegetation im botanischen Garten und die Atmosphäre in der kleinen Stadt bewundern, die erst mit Einsetzen der Dämmerung richtig belebt zu werden scheint. Mittlerweile sind auch unsere Eltern lockerer geworden, was das Draußensein im Dunkeln angeht, sodass wir entspannt durch die Straßen schlendern. An einem Stand bestellen wir uns Indomie-Nudeln, die wir auf der holprigen Trotro-Fahrt zurück nach Nsawam essen.
Am Freitag unterrichte ich in der ersten Stunde wieder die 3b, dann packe ich meine Sachen für‘s Wochenende und die Sachen, die ich meiner Familie mit nach Hause geben will - ich denke nicht, dass ich meine Lieblingsblusen und den dicken Pullover jemals hier tragen werde. Mich selbst überraschend stehe ich pünktlich vor der Hotelzimmertür meiner Familie und wenig später starten wir in unseren ersten gemeinsamen Familienurlaub im Jahr 2019: Es geht ins ca. fünf Stunden entfernte Cape Coast. Die Fahrt und insbesondere der turbulente Umsteigeort Kasoa sind anstrengend und wir sind froh, als wir endlich im Oasis einchecken - Papa hat im Vorhinein ohne mein Wissen DAS angesagte Hotel gebucht, in dem sich immer viele Freiwillige tummeln, weshalb ich befürchtet hatte, dass es vielleicht zu unruhig für einen Familienurlaub wäre, aber die direkte Strandlage und nette Aufmachung der Hotelanlage überzeugen; außerdem bekommen wir zufälligerweise das am weitesten von der Tanzfläche entfernte Zimmer.
Bei unserer Ankunft sind wir alle ziemlich ausgehungert, daher lassen wir uns für ein frühes Abendessen im Baobab nieder, wo Lotte und ich schon mal einen Snack mit Meerblick genossen haben. Mama und ich bestellen Reis mit Gemüse, Julia deftige Pfannkuchen und nur Papa isst ganz typisch ghanaisch Red-Red, frittierte Plantains mit Bohnen. Hinterher lassen wir den Abend direkt am Strand vorm Oasis mit einem Getränk gemütlich ausklingen.
Am nächsten Morgen frühstücken wir recht bescheiden und dafür ziemlich teuer im Oasis. Für Mama fällt das Frühstück besonders mickrig aus - ihr Bauch kommt mit den ganzen Neuheiten leider nicht so gut zurecht, was sie auch noch eine Weile beschäftigen wird.
Tapfererweise kommt sie trotzdem mit in den Kakum Nationalpark und so können wir alle zusammen in 40 Metern Höhe auf dem Canopy-Walk an den Baumkronen des Regenwaldes vorbeilaufen. Dieses Mal gefällt es mir sogar besser als ich es von vor Weihnachten in Erinnerung hatte! Anders als damals haben wir heute auch noch eine anschließende Hiking-Tour gebucht, die mich ein wenig an Lottes und meine Tour durch die Ankassa-Area denken lässt, Julchen hingegen fühlt sich an den Lechstedter Wald erinnert. Waldelefanten bekommen wir jedenfalls auch dieses Mal leider nicht zu Gesicht.
Zurück in Cape Coast verschnaufen wir nur ganz kurz im Hotel, dann drängen uns Hunger und Erkundungslust wieder hinaus. Mit fried rice von der Straße bewaffnet ist das Castle unser nächstes Ziel, wo wir uns zuerst das Museum über die Sklaverei und die Geschichte Ghanas im Allgemeinen ansehen und dann eine Führung durch das alte Gemäuer mitmachen, die besonders Mama und Papa gut gefällt, auch wenn sie - wegen des speziellen Englisch‘ - nicht alles verstehen, was der Touristenführer sagt.
Nach der Tour überlegen wir, ob wir zum Abendessen in dem Lokal mit dem Affenbesitzer einkehren sollen, entscheiden uns dann aber doch für das Oasis, dessen Restaurant uns empfohlen wurde. Heute bestellen Julia und Mama Reis, Papa wieder Red-red und ich einen Salat, eine echte Seltenheit in Ghana! Als wir uns hinterher nach einer Weile gerade Richtung Bett begeben wollen, werden wir darauf hingewiesen, dass gleich eine Akrobatik-Show anfängt, wie ich sie nun schon mehrfach miterlebt habe und ich empfehle den dreien, noch kurz zu bleiben, um wenigstens einen Eindruck zu bekommen. Tatsächlich staunen Mama, Papa und Julia, was insbesondere die kleineren Jungs schon drauf haben - und das alles barfuß auf dem Steinboden! Als die Show zu Ende ist, würde ich gerne noch etwas zusammensitzen bleiben, schließlich bleiben uns nicht mehr viele gemeinsame Abende, doch ich verstehe auch, dass die anderen müde sind - ich staune überhaupt, wie locker sie alles mitmachen, immerhin bin auch ich nach den letzten ereignisreichen Tagen mittlerweile etwas erschöpft und für mich ist das alles hier ja schon lange kein Neuland mehr. Beim Gedanken an den bevorstehenden Abschied muss ich aber dennoch die eine oder andere Träne wegblinzeln.
Am Sonntagmorgen möchte ich meiner Familie unbedingt noch den Aussichtspunkt Fort Williams zeigen, den Lotte und ich bei unserem ersten Cape-Coast-Besuch kurz vorm Sonnenuntergang erklommen haben, sodass wir die Stadt in ein wunderschönes Licht getaucht betrachten konnten. Diese Stimmung bleibt heute zwar aus und wir kommen auch nicht an den höchsten Punkt, weil die in dem Turm lebende Familie uns anscheinend nicht bemerkt, dennoch sind Mama, Papa und Julia begeistert von der tollen Aussicht.
Bevor wir unsere Rückreise antreten, wollen wir alle noch einmal unsere Füße ins Wasser halten - dazu sind wir bisher noch gar nicht gekommen, dabei sind wir die ganze Zeit so nah dran! Richtig baden gehen darf man aber sowieso nicht, wie ein Schild unmissverständlich klar macht - schade eigentlich, denn das Wasser ist wirklich angenehm und die Wellen sehen sehr einladend aus!
Am späten Nachmittag sind wir zurück in Doboro, wo wir zusammen noch ein Eis und einen Saft in der Blueskies-Fabrik genießen, dann trennen sich unsere Wege - für heute!
Ursprünglich hatte ich nämlich angenommen, dass wir uns schon jetzt, am Sonntagabend voneinander verabschieden müssen, denn die drei wollen schon am Montag nach Accra, von wo am Dienstag ihr Flug nach Hause geht. Doch zu unserem Glück kann ich es mit meinem Stundenplan vereinbaren, sie nach Accra zu begleiten, sodass wir noch zwei weitere gemeinsame Tage haben!
Da sich die Office-Mitarbeiter (halb im Scherz) beschwert haben, dass ich meine Familie gar nicht richtig vorgestellt habe, kommen Mama, Papa und Julia am Montagvormittag noch einmal zur Sygma, um sich wenigstens nett von allen zu verabschieden. Bei der Gelegenheit gibt uns auch Grandpa sein ok, dass ich morgen statt in der Schule mit meiner Familie in Accra sein darf.
Nachmittags kommen wir an dem Hotel an, in dem wir auch schon vor einer Woche waren, und dieses Mal springen Julia und ich zusammen in den Pool. Am frühen Abend fahren wir nach Osu, um gemeinsam Pizza essen zu gehen - das hatte Papa sich netterweise überlegt, weil es für mich ja wirklich etwas Besonderes geworden ist. Dabei unterschätzen wir die gigantischen Größen und es bleibt am Ende eine ganze Pizza übrig, deren letzte Reste ich am nächsten Abend sogar noch mit nach Hause nehme, sodass Lotte auch noch etwas davon hat!
Im Shoprite gegenüber besorgen wir uns ein paar Getränke, mit denen wir uns zurück in unserem Hotelzimmer einen gemütlichen Abend machen. Irgendwann heißt es plötzlich, Julchen hätte noch eine Überraschung für mich und sie überreicht mir ein wunderschön und aufwendig gemachtes Fotoalbum mit Bildern von uns beiden - das hatte ich mir zum 18. Geburtstag von ihr gewünscht, inzwischen aber total vergessen; umso größer ist jetzt also die Freude!
Am Dienstagmorgen genieße ich die vermutlich letzte heiße Dusche für das nächste halbe Jahr und das tolle Frühstück. Bevor wir unsere Sachen packen, lasse ich mir noch von Julia die Haare schneiden - ich habe schon länger darüber nachgedacht, sie bis auf Schulterlänge zu kürzen. Bisher bin ich auch sehr zufrieden mit dem neuen Schnitt, den Lotte in den folgenden Tagen sogar noch etwas mehr gestutzt hat.
Dann machen wir uns auf zur deutschen Botschaft - Mamas Bauch geht es immer noch nicht besser und vor dem langen Flug will sie doch gerne noch einen Arzt sehen, der ihr hoffentlich etwas verschreiben kann. Ausgerechnet heute ist der Botschaftsarzt, bei dem es sicherlich am unkompliziertesten wäre, allerdings nicht da; die Krankenschwester empfiehlt uns stattdessen ein Privatkrankenhaus. Dass wir dort nun den halben Tag verbringen, finden wir gar nicht schlimm, denn ob wir die gemeinsame Zeit hier oder woanders genießen, macht ja keinen Unterschied. Außerdem haben wir natürlich ein gutes Gefühl, wenn die Ärzte ihre Sache gründlich machen - trotzdem können sie Mama leider nicht so richtig helfen, also hoffen wir einfach, dass alles gut geht.
Da wir immer noch reichlich Zeit haben bis der Flieger abhebt, fahren wir nochmal nach Osu, um in den zahlreichen Souvenirläden nach Mitbringseln zu gucken und dann zurück ins Hotel, wo wir noch eine Kleinigkeit essen. Jetzt, wo der Abschied so nah rückt, habe ich keine Chance mehr, meine Tränen zurückzuhalten, trotzdem verneine ich die Frage meiner Schwester, ob ich mit nach Hause kommen würde, wenn ich könnte, - ich glaube, dann hätte ich das Gefühl, eine Menge hier zu verpassen, schließlich ist die erste Hälfte so schnell vergangen, da will ich die Zweite umso mehr genießen!
Am frühen Abend fahren wir schließlich los zum Flughafen - zum Glück also so zeitig, dass es nichts ausmacht, dass der Taxifahrer keinen blassen Schimmer hat, wo genau er uns hinbringen soll. Letztendlich stehen wir am richtigen Terminal und der Moment ist gekommen, in dem wir uns tränenreich für die nächsten sechseinhalb Monate voneinander verabschieden müssen. Habt Dank für die tolle Zeit und dass ihr alles so lieb und tapfer mitgemacht habt!
Auf der Fahrt zur Trotrostation, an der ich auf dem Weg nach Nsawam umsteigen muss, versucht der nette Taxifahrer mich zu trösten - er hat die Abschiedsszene mitbekommen und meint, er könne sich vorstellen, wie ich mich fühle.
Tatsächlich geht es mir in den nächsten Tage aber viel besser als ich befürchtet hatte; natürlich vermisse ich meine Familie, aber richtig schlimmes Heimweh habe ich nicht. Vielmehr denke ich voller Freude an die schönen gemeinsamen Erlebnisse zurück, und auch schon an die Zeit, wenn ich wieder zu Hause bin - ich habe längst eine Liste angelegt mit lauter Dingen, die ich machen und Orte, an die ich fahren will.
Erstmal freue ich mich jetzt aber auf die zweite Hälfte meines Ghana-Abenteuers (genau heute ist Halbzeit!) - mit dem Wissen, dass sich meine liebe Familie nun auch viel besser vorstellen kann, wie es mir hier so geht und was ich mache.
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