Wir lassen das vorletzte Februarwochenende ruhig hier in der Sygma verstreichen, dann machen Lotte und ich uns am nächsten Freitag auf den Weg nach Elmina. Die kleine Küstenstadt liegt noch hinter Cape Coast, wo ich zwei Wochen zuvor mit meiner Familie war. Es kommt also wieder eine weite Fahrt auf uns zu, die sich in Kasoa zusätzlich in die Länge zieht, weil wir zwei Stunden warten müssen, bis das Trotro voll ist und losfährt.
Weit nach Einbruch der Dunkelheit kommen wir schließlich in Elmina an und finden zum Glück auch gleich ein Taxi, das uns zu unserer abgelegenen Strand-Lodge bringt, die Maren und Cecilia uns empfohlen haben.
Mit den schmalen Sandwegen, die sich zwischen den Palmen hindurchschlängeln und zu den verschieden Hütten und Häuschen führen, erinnert uns die Unterkunft an das paradiesische Escape Three Points, wo wir mit anderen Freiwilligen zusammen das Weihnachtsfest verbracht haben.
Die Entscheidung, unsere Elmina-Erkundungstour auf Sonntag zu verschieben und den Samstag hier zu bleiben, fällt uns also nicht besonders schwer und so verbringen wir den ganzen Tag am Strand. Die meiste Zeit lesen oder dösen wir, einmal trauen wir uns aber auch ins Wasser - gar nicht so einfach, denn ein meterhoher Steinwall zieht sich am ganzen Strand entlang, dessen Sinn wir uns nicht ganz erklären können. Wellen und Strömung sind aber sowieso so stark, dass man mit der Beobachtung des Meeres vom Trockenen aus besser beraten ist.
Abends findet eine „cultural show“ statt und die anderen Gäste, eine Reisegruppe bestehend aus älteren Obronis, sind ganz begeistert von den Tänzen und akrobatischen Kunststücken; Lotte und ich stellen fest, dass sich diese Vorstellungen immer sehr ähneln, trotzdem macht es aber immer wieder Spaß zuzusehen.
Am Sonntag lassen wir das Frühstück ausfallen, um so früh wie möglich loszukommen, denn wir wollen uns das Castle in Ruhe anschauen können, bevor wir uns wieder auf die Heimreise machen. Obwohl die Sklavenfestung sich nicht großartig von der in Cape Coast unterscheidet, sind wir schwer beeindruckt und verlassen den eigentlich so malerischen Ort mit gemischten Gefühlen.
In der nächsten Schulwoche bringe ich meinen Französischschülern die Farben bei: Um ihnen das langweilige Vokabellernen etwas zu erleichtern, denken wir uns gemeinsam statt der englischen Übersetzung kleine Symbole aus, die die jeweilige Farbe repräsentieren - während „banana“ für jaune und „tomato“ für rouge ja noch naheliegend sind, staune ich über die Kreativität der Kinder, als sie „robot“ für gris oder „key“ für argenté vorschlagen.
Zugegebenermaßen muss ich die ein oder andere Farbe sogar nachschlagen - die Schüler sind nicht zu bremsen und wollen unbedingt auch noch wissen, was silber, gold und indigo heißt! Am Ende der Stunde will ich unser gelungenes Tafelbild abfotografieren - das ist das Ergebnis:
Am folgenden Wochenende ist das gesamte Lehrerkollegium zur Beerdigung von Madam Vics Mutter eingeladen. Das wollen Lotte und ich uns natürlich nicht entgehen lassen, denn wir haben am Rande schon mitbekommen, dass Beerdigungen hier wohl ganz anders ablaufen als wir das aus Deutschland gewöhnt sind. Also ziehen auch wir uns schwarz-rot an und steigen in das Trotro, das bereits auf dem Schulhof auf uns wartet. Auf dem Weg sammeln wir immer mehr Lehrer ein - Lotte und ich versuchen, die Anzahl der im Trotro anwesenden Personen zu ermitteln und kommen auf schätzungsweise 30 Schulangestellte, die neben- und aufeinander sitzen. Schließlich endet die einstündige, ziemlich holprige und unbequeme Fahrt in einem kleinen Dorf, das heute aus ausschließlich schwarz-rot gekleideten Menschen zu bestehen scheint. Wir werden gebeten, auf Plastikstühlen vor dem Haus Platz zu nehmen und rätseln, wie wohl der weitere Ablauf aussehen wird: Wird es eine Art Gottesdienst oder eine andere Zeremonie geben? Wird es Essen geben? Wird getanzt werden? Wir bekommen ein kleines Heft in die Hand gedrückt, darin der Stammbaum der Verstorbenen, die wichtigsten Punkte aus ihrem Lebenslauf sowie Worte der Hinterbliebenen. Jetzt ist auch klar, warum so viele Menschen anwesend sind: Es handelt sich um die Beerdigung der Gründerin der Dorfschule und damit einer bekannten Persönlichkeit.
Nachdem uns die kochenden Frauen bei unserer Ankunft schon sehr herzlich willkommen geheißen haben, bringen sie uns jetzt Ampesie, Kochbanane mit Contombrestew; als wir aufgegessen haben, gehen wir mit unseren Lehrerkollegen in einen Klassenraum, der uns wohl als Aufenthaltsraum dienen soll. Lotte und ich verstehen nicht ganz, worauf wir nun warten, die Lehrer sind jedenfalls gut drauf. Irgendwann heißt es, wir würden jetzt grüßen gehen, erstmals treten wir also an den eigentlichen Ort der Feierlichkeiten heran, wo eine große Anzahl näherer Angehöriger unter schwarz-roten, offenen Festzelten sitzt; in der Mitte steht ein Mann mit Mikrofon und spricht Gebete oder Reden auf Twi, außerdem läuft laute Musik. Lotte fragt noch schnell eine Lehrerin, was man denn sagen könne, um sein Beileid auszudrücken, doch dazu kommt es gar nicht, denn wir gehen einfach alle hintereinander weg von Plastikstuhl zu Plastikstuhl und schütteln bestimmt 100 Leuten die Hand. Nicht sehr persönlich, finden wir, aber das ist es ja ohnehin nicht bei den Menschenmassen und Bekanntschaftsgraden.
Viel von der eigentlichen Beerdigung bekommen wir also leider gar nicht mit, denn jetzt kriegt noch jeder eine Portion jollof rice für den Weg, dann geht es schon wieder nach Hause.
Madam Vic freut sich aber sehr, dass wir da waren; in den nächsten Tagen bedankt sie sich überschwänglich bei uns - dabei haben wir ja gar nichts geleistet!
Die nächste Schulwoche ist eine ganz Besondere, denn es findet nur Montag und Dienstag Unterricht statt. Am Mittwoch, den 06. März, wird in Ghana die Unabhängigkeit von England gefeiert; die diesjährigen Feierlichkeiten sind allerdings in Tamale und nicht in Accra, sodass wir leider nicht daran teilnehmen können. Stattdessen begleiten wir einige unserer Schüler nach Nsawam, wo Schüler aller (Polizei-) Schulen der Stadt zu Blaskapellenmusik auf einem großen Platz marschieren. In den letzten Tagen wurde dafür schon regelmäßig geübt und nun sind alle stolz, wie diszipliniert und ordentlich die Sygma-Schüler auftreten! Hinterher gibt es zur Belohnung Meatpie, Cola, Kekse und Eis für alle!
Am Donnerstag sind Lotte und ich zum geheimen Ausflug der jüngeren Lehrer eingeladen. In aller Frühe fahren wir mit Sandra zu Madam Judith, wo letzte Vorbereitungen getroffen und jollof rice, banku und Getränke eingepackt werden. Alle machen sich schick, setzen Käppi und Fensterglasbrille auf, dann geht es gegen Mittag endlich los. Unterwegs sammeln wir die anderen Lehrer und zwei unbekannte Mädels ein; nach einer Stunde kommen wir in Koforidua an. Als Location dient ein schickes Hotel mit völlig überfülltem Pool, an dessen Rand wir uns auf Plastikstühlen niederlassen. Nun werden erst einmal ausgiebig Fotos und Selfies geschossen, dann wird irgendwann das Essen aufgetischt. Anschließend lädt uns einer der Lehrer auf einen kleinen Spaziergang ein und führt uns auch über das Uni-Gelände, wo er noch studiert - das Lehrerdasein ist für ihn, wie wohl auch für viele andere, nur ein Nebenjob, eigentlich möchte er Ingenieur werden.
Leider hat uns im Vorfeld niemand gesagt, dass man als Mädchen nur voll bekleidet baden gehen darf, sodass wir keine Wechselklamotten dabei haben und den anderen also nur von draußen zugucken können. Das rege Treiben ist aber auch ganz interessant zu beobachten und so vergeht die Zeit ganz gut.
Trotzdem ärgern wir uns etwas, dass wir statt nach Koforidua nicht schon nach Busua gefahren sind, wo an diesem Wochenende das Asa-Baako-Festival stattfindet, bei dem wir uns mit einigen anderen Freiwilligen treffen wollen.
Am Freitagmorgen machen wir uns nun also auf den unglaublich weiten Weg - nach 9 Stunden Fahrt kommen wir endlich in dem Ort an, in dem es vor lauter Weißen in unserem Alter nur so wimmelt - das Festival scheint ein echter Hotspot für Freiwillige zu sein!
Als wir schließlich auch unser Hotel finden, wird uns dort mitgeteilt, man habe unser Zimmer an andere vergeben, es wäre ja nicht sicher gewesen, ob wir wirklich kommen! Netterweise bietet der Besitzer an, sich auf die Suche nach einem anderen Schlafplatz für uns zu machen, kommt aber nach einiger Zeit erfolglos zurück. Zwischendurch nehmen wir schon Kontakt zu unseren Freunden auf, die uns raten, es mal in einem bestimmten Hotel zu versuchen, doch auch dort ist alles voll. Bevor wir uns auf das Angebot unseres Hotelbesitzers einlassen, uns in das nächste Dorf zu fahren, wo wir sicher noch etwas finden würden, gucken wir spaßeshalber mal in die Lobbys der beiden Edelhotels, die wir uns aber natürlich nicht leisten können. Dann kommt unerwartet unsere Rettung: Wir werden auf der Straße von zwei Fremden angesprochen, die jetzt zur Festivalzeit ihre privaten Zimmer vermieten. Zunächst sind wir skeptisch, aber als wir sehen, dass in dem Haus der Familie etliche weiße Festivalbesucher herumlaufen, willigen wir ein - was bleibt uns auch anderes übrig?
Wir essen eine Kleinigkeit auf der Straße, dann treffen wir uns mit den anderen und tanzen die ganze Nacht durch am Strand, der in eine einzige Partyszene verwandelt ist.
Am Samstag stehen wir erst ziemlich spät auf - Maren, Lotte und ich haben auf der schmalen Matratze besser geschlafen als wir befürchtet hatten -, dann frühstücken wir in Ruhe und schlendern ein wenig durch die Souvenirstände. Am frühen Nachmittag treffen wir uns mit den anderen am Strand, wo wir den restlichen Tag verbringen, bis wir abends zur legendären Dschungel-Party gehen.
Das Ambiente und die Location sind toll - die Party findet tatsächlich mitten im Urwald statt und nicht etwa zwischen aufgestellten Plastikpalmen! Nur die Musikauswahl lässt leider zu Wünschen übrig... Trotzdem haben wir unseren Spaß und gehen wieder erst spät ins Bett, sodass wir am Sonntag erst deutlich nach geplanter Abfahrtszeit loskommen. Lotte und ich sind wieder knapp neun Stunden unterwegs und erreichen um kurz vor halb elf endlich die Sygma. Ohne Frage haben wir ein anstrengendes Wochenende hinter uns, aber es hat sich wirklich gelohnt!
Nun rücken langsam die Osterferien immer näher - das heißt zum Einen, dass wir anfangen müssen, unsere Reise in den Norden zu planen, und zum Anderen, dass bald wieder Examen anstehen, die erstmal getippt werden wollen. Sir Right, der Informatiklehrer, der eigentlich dafür verantwortlich ist, freut sich sehr, dass wir ihm etwas Arbeit abnehmen können und für uns ist es ja auch ganz interessant, zu erfahren, was die Kinder in den anderen Fächern so lernen - gerade, weil es sich zum Teil sehr von dem unterscheidet, was wir in der Schule gelernt haben. So wird zum Beispiel im Fach Religious and Moral Education vermittelt, dass ausschließlich die Frau für das Kochen zuständig ist oder dass Gott die Welt geschaffen hat - nicht etwa, dass das nur im Christentum so geglaubt wird. In Citizenship Education lernen die Schüler, wessen Aufgabe es ist, Kinder zu bestrafen, die sich nicht benehmen und welche Formen der Bestrafung es gibt. Dafür staune ich, wie früh relativ anspruchsvolle Dinge in Fächern wie Mathe oder Science gelehrt werden - ich wusste in der vierten Klasse bestimmt noch nicht, ob der Saturn oder der Jupiter größer ist!
Nach einer arbeitsintensiven und immer noch etwas müden Woche für Lotte und mich steht nun wieder ein Entspann-Wochenende an, allerdings laden wir Maren ein, uns besuchen zu kommen. Am Freitagabend holen wir sie also von der Trotro-Station in Nsawam ab und gemeinsam machen wir uns auf die Suche nach einer Chop-Bar - wir wollen uns noch einmal etwas leckeres gönnen, bevor Lotte und ich uns ab morgen im Intervallfasten versuchen.
Der geplante Filmeabend muss hinterher allerdings ausfallen, weil wir schon wieder keinen Strom haben, wie es diese Woche ausnahmslos täglich der Fall war... Trotzdem gehen wir nicht gerade zeitig schlafen, sodass uns das frühe Aufstehen am Samstag umso schwerer fällt - wir haben uns nämlich vorgenommen, mal wieder beim Morgensport mitzumachen! Pünktlich schaffen wir es natürlich wieder nicht, aber das nimmt man uns hier zum Glück selten übel.
Am späten Vormittag bin ich mit meinen Eltern zum Skypen verabredet, wobei ich erstmals auch mit meiner lieben Omi sprechen kann, was uns beide sehr freut!
Anschließend fahren Lotte, Maren und ich mit Strandtuch, Sonnencreme und Spielkarten im Gepäck nach Aburi, wo wir den Nachmittag entspannt im botanischen Garten verbringen. Die kleine Stadt gefällt uns allen dreien nach Anbruch der Dunkelheit besonders gut, wenn die Indomie- und Obstverkäufer ihre Stände aufbauen und mit Fackeln für eine gemütliche Atmosphäre sorgen. Wir genießen die schöne Stimmung wohl etwas zu lange, denn als wir wieder loswollen, heißt es, dass zu dieser Zeit keine Trotros mehr nach Nsawam fahren, also müssen wir ein Taxi nehmen, das aber zum Glück nur unwesentlich teurer ist.
Den Sonntag lassen wir ganz entspannt angehen, schließlich ist es womöglich unser letzter ruhiger Tag: Am Freitag hat Sandra uns erzählt, dass heute die Neuntklässler in der Sygma einziehen werden, um sich in den nächsten Monaten besonders intensiv auf ihre Examen vorbereiten zu können. Wir sind gespannt, wie das Leben Tür an Tür mit einem Haufen Jugendlicher wird! (Lotte ist ganz erschrocken, wie sehr wir schon in die Lehrerrolle geschlüpft sind, nachdem wir doch selber gerade erst aus der Schule heraus sind!)
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