„Genieß‘ die Zeit, jetzt ist es ja gar nicht mehr lange“, „Freust du dich denn auf Zuhause?“, „Bis ganz bald“, „Guten Rückflug“ (!) - Nachrichten wie diese erreichen mich nun immer öfter, denn die Daheimgebliebenen staunen - genau wie ich - darüber, wie schnell die Zeit vergeht.
Mindestens genauso oft, wie ich mir die Rückkehr nach Deutschland ausmale, so oft denke ich nun auch über all die Dinge nach, die mir hier so vertraut geworden sind und die mir zurück zu Hause fehlen werden: Der abendliche Blick auf die Lichter von Nsawam von unserem Schulhof aus und die perfekt gewachsene Palme vorm Schultor; die hügeligen Urwaldlandschaften um uns herum; die unebenen, sandigen Wege durch‘s Dorf, die jeden Spaziergang zum Abenteuer werden lassen; die Verkäufer, die Snacks und Getränke auf ihren Köpfen anbieten (kaum vorstellbar, dass man in Deutschland für jede Besorgung extra in einen Laden gehen muss!); die einzigartigen, bunten Kleider; der laute, chaotische Markt und der Weg in die Stadt, der uns auch durch das muslimische Viertel führt, wo man den Gesang des Muezzins in den Straßen hört; das frische, tropische Obst; jollof rice und Fufu; überall in ein Trotro einsteigen und überall hinfahren zu können, überhaupt das viele Reisen als Ausbruch aus dem Alltag; der ewige Sommer...
Beinahe mehr als je zuvor genieße ich bei immer knapper werdender Zeit mein ghanaisches Leben: Wir nutzen fast jedes Wochenende, um ein letztes Mal an unsere Lieblingsorte zu reisen oder weitere neue Orte zu entdecken. So fahren wir nach Obo und dort mit einer Seilbahn durch den Regenwald, laufen in Bunso auf Hängebrücken zwischen den Baumkronen hindurch, wandern in Kibi durch einen touristisch komplett unerschlossenen Dschungel, bummeln durch die größte Mall Westafrikas und verbringen ein Wochenende in einer ehemaligen Sklavenfestung in Senya Beraku, wo mich die frische Meeresbrise, die morgens durch unser Zimmer weht und den Ventilator ausnahmsweise mal überflüssig macht, an Dänemarkurlaube erinnert.
Ein letztes Mal genießen wir die Hängemattenidylle in Ada Foah und den wuseligen Großstadtflair von Accra.
Zwischen den Wochenenden sind wir aber auch in der Schule gut beschäftigt:
Ich gebe meine letzten Französischstunden und mir wird bewusst, wir sehr ich meine Schüler, die mich jedes Mal so herzlich begrüßen, wenn ich den Klassenraum betrete, vermissen werde. Ich versuche, die schönsten Momente festzuhalten, um so lange wie möglich in Erinnerung zu behalten, wie die Kinder am Ende einer jeden Stunde ausgelassen zur französischen Musik tanzen oder wieviel Spaß sie bei den Spielen haben, mit denen wir die neuen Vokabeln wiederholen.
In der siebten Klasse haben wir tatsächlich Lottes Idee einer Ecology Class umsetzen können: Spielerisch besprechen wir mit den Kindern Themen des Klimawandels und lassen sie Plakate dazu gestalten. Außerdem haben wir eine Plasticpolice ins Leben gerufen: Jeweils fünf Schüler sollen in den Pausen dafür sorgen, dass der Schulhof sauber bleibt und (Plastik-)Abfälle in die Mülleimer geworfen werden. Es ist sogar eine Plastiksammelaktion im Dorf mit anschließendem Müll-Monster-Basteln geplant!
Mit der achten Klasse schreibe ich Antwortbriefe an die Schüler meiner Französischlehrerin, die mit einem Video die Brieffreundschaft ins Rollen gebracht haben. (Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit!) Die ghanaischen Schüler freuen sich schon jetzt sehr auf weitere Post von ihren neuen deutschen Freunden.
In Madam Glorias Klasse verteile ich endlich die Buntstifte, die meine Eltern im Februar mitgebracht haben - die Kleinen freuen sich riesig und malen vergnügt die Autos, Blumen und Kleider aus, die Lotte und ich für sie zeichnen. Nur schwer können wir uns hinterher wieder von den unsere Beine umklammernden Kindergartenkindern lösen, die uns oft schon entgegenstürmen, sobald sie uns über den Schulhof gehen sehen - das wird mir auch fehlen!
Beim Closing basteln wir mit den Kindern, die auf den Bus warten, aus dem großen Karton, in dem unser Kühlschrank verpackt war, und zwei Springseilen ein Auto. Die Kinder staunen, wie aus einfachen Mitteln ein tolles Spielzeug entsteht, das sie begeistert mit bunten Mandalas und Sygma-Kennzeichen bekleben und von nun an kameradschaftlich teilen. Besonders Kojo hat als großer Autofan viel Spaß daran, sich die Springseilgurte über die Schultern zu spannen und über den Schulhof zu düsen.
An zwei Nachmittagen backen wir Geburtstagskuchen für Kojo und Letitia, die sich sich sehr über die (für die ghanaische Esskultur viel zu) süße Geste freuen.
Nahezu regelmäßig besuchen wir die Schneiderin, um unsere Ideen für Kleider und Blusen umsetzen zu lassen, für die wir auf dem Markt bunte Stoffe kaufen, und verabreden uns mit Madam Gloria zum Fufu- oder Waakye-Kochen.
Nächste Woche werden die Endjahres-Examen geschrieben; dann folgt bald der letzte Schultag, dem Lotte und ich mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegensehen... Und dann geht es für uns auf die letzte große Reise, diesmal durch den Osten Ghanas - und Togo, wenn alles klappt!
„Genieß‘ die Zeit, jetzt ist es ja gar nicht mehr lange“ - noch ziemlich genau 6 Wochen sind es, bis mich mein Leben in einer ganz anderen Welt wieder erwartet und diese Zeit gilt es, in vollen Zügen auszukosten!
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