Die letzte Schulwoche beginnt unspektakulär: Während die Schüler über den Schulhof toben und die Lehrer die letzten Examen korrigieren, hängen Lotte und ich zusammen mit unseren Ecology-Class-Schülern die Plakate auf, die sie im Unterricht gestaltet haben, geben alte Französischunterrichtsgemälde an die Kinder zurück und basteln fleißig Papierbötchen, die wir den Schülern zum Abschied schenken wollen.
Nachmittags gehen wir ein letztes Mal auf den Markt und besorgen Pepper, Topchoco, Waakye Leaves, Ingwerschnaps und Hibiskusblüten, um wenigstens einen kleinen Teil der ghanaischen Küche, die wir so sehr lieben gelernt haben, mit nach Hause nehmen zu können.
Am Dienstag will ich endlich mal die tägliche, morgendliche Assembly filmen, um mich später daran erinnern zu können. Doch statt wie gewohnt am Ende der gemeinsamen Andacht in die Klassen zu marschieren, steuern die Schüler heute in einer langen Schlange auf das Schultor zu, die Pauken vorneweg, dann die kleinsten Kindergartenkinder, dann alle anderen. Lotte und ich schließen uns schnell dem Ende an, um nicht zu verpassen, was auch immer jetzt folgen wird. Wie bei einem Karnevalsumzug zieht die gesamte Schule, ein Marschlied auf den Lippen tragend, nun durch das Dorf.
An der Taxistation angekommen, verabschieden sich die Jüngeren wieder in Richtung Schule, die Älteren werden in Gruppen eingeteilt und sollen mit den mitgebrachten Besen für Sauberkeit in Sakyikrom sorgen - das war also das Plastik-Pick-Up, über das wir mit Grandpa gesprochen haben. Allerdings hat wohl niemand an Mülltüten gedacht, die Lotte und ich schnell aus unserer Küche holen, um mit einer kleineren Gruppe herumliegendes Plastik einzusammeln. Die Kinder haben richtig Spaß an der Sache und wetteifern, wer wohl zuerst seinen Sack voll bekommt.
Später proben wir mit unseren Französischschülern nochmal die Lieder, die wir ihnen im Unterricht beigebracht haben und die wir morgen beim Graduation Day aufführen wollen.
Am späten Nachmittag fahren Lotte und ich ein vielleicht letztes Mal zur Blueskies Factory und gönnen uns einen frischen Mango-Ananas-Saft, abends helfen wir einigen Lehrerinnen dabei, in riesigen Töpfen und Schüsseln den jollof rice für morgen Mittag vorzubereiten.
Dann steht endlich der Graduation Day vor der Tür, auf den die Schüler schon so lange hinfiebern. Wie schon vor den Weihnachtsferien werden auf dem Schulhof Pavillions und unzählige Stuhlreihen aufgebaut, dann beginnt um halb elf das Programm: Verschiedene Schülergruppen tanzen, singen und führen sogar kleine Schauspiele und Dramen auf!
Am letzten Schultag gibt es die Zeugnisse und Lotte und ich überreichen jedem unserer Französischschüler ein Papierbötchen und einen Lolli, worüber sie sich auch sehr freuen. Nachmittags sitzen wir ein letztes Mal mit den Kindern zusammen, die auf ihren Bus warten, doch, dass sie sich jetzt richtig von uns verabschieden müssen, verstehen die meisten gar nicht. Vielleicht ist es auch besser so, dann wird es wenigstens nicht zu emotional.
An unserem ersten Ferientag sind wir früh morgens mit Kwabena, dem Hausmeister der Schule verabredet, um zusammen endlich mal einen der uns umgebenden Berge zu besteigen. Wie so oft sind wir allerdings etwas spät dran und vom Hausmeister ist weit und breit keine Spur. Kurzerhand marschieren Lotte und ich also alleine los, ein Stück die New Road entlang, dann biegen wir rechts in einen Feldweg ein. Wir folgen dem Pfad, der durch Palmenhaine und Cassavafelder auf einen Berg zusteuert, doch als das Dickicht undurchdringlich wird, kehren wir um - auf einem Berg waren wir zwar nicht, aber ein schöner Spaziergang war es allemal!
Zurück an der Sygma empfängt uns dann doch Kwabena und ist in Aufbruchsstimmung. Eigentlich wollen wir jetzt frühstücken, aber die Chance lassen wir uns nicht entgehen, also wandern wir noch einmal los. Diesmal mit Machete bewaffnet geht es nun wirklich querfeldein über die Äcker bis auf den Gipfel eines Berges, von dem wir eine wunderschöne Aussicht auf Nsawam genießen!
Den Rest des Tages verbringen wir damit, Bad und Küche ein letztes Mal richtig auf Vordermann zu bringen.
Und dann geht es los auf unsere letzte große Reise. Unser erstes Ziel ist ein kleiner Ort namens Tosukpe, von wo aus wir am nächsten Tag eine wunderschöne Kanutour bis zur Avu Lagune machen. Der Kanal, der zu einigen kleinen Dörfern die einzige Zufahrt ist, ist links und rechts von schwimmender Vegetation begrenzt. Manchmal ist es so eng, dass wir die Gräser streifen und die mit Zuckerrohr beladenen Kanus, die uns ab und zu entgegenkommen, passen nur knapp an uns vorbei. Kurz bevor wir die Lagune erreichen, fahren wir ein Stück mitten durch den Urwald, „bend down“ ruft der Bootsführer, wenn wir niedrig hängenden Ästen ausweichen sollen. Ich fühle mich an die Kanufahrt nach Nzulezo während der Weihnachtsreise erinnert.
Unser nächstes Ziel: Die schmale Landzunge zwischen Keta-Lagune und Meer. Wir verbringen ruhige anderthalb Tage in den verschlafenen, irgendwie an Südeuropa erinnernden Dörfern und deren Stränden, dann machen wir uns auf den Weg nach Aflao, die Grenzstadt zu Togo.
Die Grenzposten sind nicht zu übersehen und zunächst scheint alles planmäßig zu laufen, doch dann verkündet der Grenzbeamte, dass er Lotte zwar den nötigen Stempel in ihren Pass setzen wird, mich allerdings dabehalten will - um mich zu heiraten. Es folgt eine kurze Diskussion darüber, wer wen als meinen zukünftigen Ehemann auswählen darf, dann lässt er uns schließlich gehen.
Wir sind gerade über die Grenze, feiern mit einem Highfive, dass - bis auf den Heiratsantrag - alles so unkompliziert verlaufen ist, da fallen schon die Motorradfahrer über uns her, die uns in einem Mix aus englisch und französisch für eine Fahrt mit ihnen gewinnen wollen. Dank Maries Beschreibung kennen wir allerdings den kurzen Fußweg zu unserem hübschen, an ein deutsches Brauhaus erinnernden Hotel. An unserer Unterkunft angekommen, erklärt uns ein netter, junger Kellner mit Händen und Füßen - mit seiner Schuhspitze malt er eine Karte der näheren Umgebung in den Sand - den Weg zu einer Bank. Wir verstehen ihn erstaunlich gut, allerdings fällt es uns nach einem Jahr Englischsprechen schwer, ihm auf französisch zu antworten. Das wird in den nächsten Tagen aber immer besser und am Ende haben wir wieder richtigen Spaß an der schönen Sprache!
Schon auf dem Weg zur Bank fällt uns auf, wie sehr sich Togo von Ghana unterscheidet: Auf den Straßen fahren keinerlei Trotros und auch nur wenige Taxis, Motorräder regieren den Verkehr, am Straßenrand reihen sich richtige Restaurants und sogar einige Modegeschäfte aneinander, es gibt Mülleimer, abends fegt eine mit gelben Warnwesten gekleidete Putzkolonne die Straßen sauber und - unser persönliches Highlight - es gibt Baguette, das mit Avocado, Bohnen, Ei oder sogar Kartoffelsalat und Fischfrikadellen belegt wird!
Da wir mit unserer ghanaischen SIM-Karte in Togo keinen Internetempfang haben, starten wir am nächsten Tag auf gut Glück - also ohne die Hilfe eines Navigationssystems - unseren Stadtrundgang. Wie durch Zufall finden wir tatsächlich zu allen Zielen, die wir uns herausgesucht hatten und so besichtigen wir den Unabhängigkeitsplatz, das Nationalmuseum und natürlich den großen Markt.
Am Tag darauf machen wir einen Ausflug zum Lac Togo. Von Agbodrafo schippern wir mit einem kleinen Segelboot an das gegenüberliegende Ufer des Togosees und sehen uns das allererste Dorf Togos an. Dann faulenzen wir noch etwas am Strand, bevor wir zurück nach Lomé fahren, wo wir uns abends mit Franzi und zwei Freiwilligen von einer anderen Organisation treffen, die auch gerade in Togo Urlaub machen.
Anders als in Ghana sind in Togo die meisten Leute Anhänger der traditionellen Voodoo-Religion. Aus Interesse an dieser fremden Kultur machen wir am folgenden Tag einen kleinen Abstecher zum Fetischmarkt, auf dem kleine Holzpuppen, Tierschwänze, Rasseln und Trommeln verkauft werden. Dann geht es für Lotte und mich im Taxi ins nördlicher gelegene Kpalimé.
Die Anderen folgen uns am nächsten Tag dorthin und zusammen „erklimmen“ wir (im Taxi sitzend) den höchsten Berg Togos. Einen netten Ausblick und zwei lange, nervenaufreibende Diskussionen mit Taxifahrern und Straßenmautkassierern später verabschieden wir uns in Kpalimé wieder von unseren Freunden, die zurück nach Lomé fahren.
Lotte und ich besteigen am nächsten Morgen nach leckerem Frühstück mit Baguette und Kaffee, der hier statt mit Wasser mit Tee aufgekocht wird, ein Motorrad, das uns durch wunderschöne Landschaften, bergauf und bergab bis an die ghanaische Grenze fährt. Mit dem Trotro geht es weiter nach Hohoe, wo nach Einbruch der Dunkelheit eine ausgelassene, jahrmarktähnliche Stimmung auf den Straßen herrscht.
Auch den höchsten Berg Ghanas wollen wir uns nicht entgehen lassen und so machen wir uns tags darauf in aller Frühe auf. Bis wir allerdings die richtige Trotrostation gefunden haben und das Trotro endlich voll ist und losfährt, ist es bereits Mittag und so wird der zweistündige, diesmal zu Fuß bewältigte, Aufstieg besonders schweißtreibend. Am Gipfel angekommen entlohnt uns aber eine tolle Aussicht auf die umliegenden von Regenwald bewachsenen Hügel und Berge. In einiger Entfernung sieht man einen schmalen Wasserfall in die Tiefe stürzen.
Zurück am Fuße des Berges wollen wir einen kleinen Abstecher zu dem Wasserfall machen, der hier schon ausgeschildert ist, doch der Weg mitten durch den Wald zieht sich und ehe die Dämmerung einsetzt, kehren wir lieber um, ohne den Wasserfall gesehen zu haben.
Auf dem Rückweg steht die Sonne mittlerweile tief am Horizont und der Taxifahrer bedankt sich lächelnd für die von Lotte angebotene Sonnenbrille.
Am nächsten Tag steht eine weitere Wanderung auf unserem Plan: Wir haben uns die etwa siebenstündige Tour zu den Wli-Falls, den höchsten Wasserfällen Westafrikas vorgenommen, die über die Rücken einiger Hügel und Berge führt, die im Halbkreis angeordnet sind, sodass man unterwegs schon immer mal wieder einen Blick auf den Wasserfall erhaschen kann.
Ausgestattet mit Wanderschuhen und -stock, Sporthose, 2 Liter Wasser für jeden, Brot und Keksen treffen Lotte und ich auf unseren Guide: Einen Jungen, nicht viel älter als wir, mit knielanger Stoffhose und Badelatschen an den Füßen, in der Hand statt der sonst üblichen Machete ein einziges Waterpack. Überrascht und etwas verdutzt wandern wir los. Zunächst einen Pfad durch hohes Gras entlang, dann den ersten steilen Hügel hinauf.
Auf dem Gipfel stehend, genießen wir die Aussicht. Zu unserer Erleichterung verneint der Guide Lottes Frage, ob es hier Schlangen gibt, fügt dann aber hinzu: „only pythons“. Etwas beunruhigt machen wir uns auf den weiteren, noch langen Weg.
Die uns umgebenden Berge erinnern mich an die schottischen Highlands und die schöne Sicht belohnt wirklich alle aufgebrachte Kraft, obwohl mir die Anstiege deutlich weniger anstrengend vorkommen als am Tag zuvor.
Manchmal machen wir bei besonders schöner Aussicht eine kleine Pause, schießen Fotos, essen Kekse und trinken Wasser, dann geht es gestärkt weiter.
Irgendwann kommen wir nach einem letzten steilen und etwas heiklen Abstieg am ersten Becken des herabstürzenden Wasserfalls an. Wir gehen gar nicht allzu nah an das Wasser heran, doch unsere Gesichter sind trotzdem sofort klitschnass.
Den letzten Abstieg wieder hinaufgekraxelt und eine weitere Stunde über schwierige Pfade mitten durch den Urwald gewandert kommen wir schließlich am Ziel unserer Wanderung an. Mit feuchten Schuhen und mittlerweile schweren Beinen lassen wir uns dort nieder, wo der insgesamt 80 Meter hohe Wasserfall endet. Diese Wanderung hat sich auf jeden Fall gelohnt!
Unsere letzten Ferientage und damit auch unsere letzten Tage in Ghana wollen wir am Strand verbringen und so machen wir uns auf die lange Fahrt von Ho über Accra nach Cape Coast, wo wir nur eine Zwischenübernachtung einlegen, um gleich am nächsten Morgen weiter nach Busua zu fahren, wo Marie, Mariele und Sophia auf uns warten.
Wir verbringen ein paar nette Stunden in Busua, das wir bisher nur von dem Festival im März kennen, dann geht es am nächsten Morgen zu unserem eigentlichen Ziel: Escape Three Points - das Strandparadies, wo wir schon die Weihnachtstage verbracht haben.
Mit typisch ghanaischem Ingwer-Schnaps feiern wir in Marieles Geburtstag rein, den wir ganz entspannt verbringen, weil wir vom starken Wellengang am Vormittag ziemlich gerädert sind. Abends gibt es ein besonderes Abendessen, dann Schoko-Torte am Lagerfeuer. Auch der nächste und letzte Tag im Paradies ist entspannt: Wir sitzen am Strand und spielen Monopoly in der Accra-Version!
Dann folgt die Rückreise, die zwar ewig lang, aber wider Erwarten gar nicht so anstrengend ist. Es ist komisch, jetzt wieder „nach Hause“ zu kommen und zu wissen, dass wir hier jetzt nicht mehr wohnen werden.
An unserem letzten vollen Tag in Ghana genießen wir ein letztes Mal den leckeren BlueSkies-Saft, dann packen Lotte und ich unsere letzten Sachen ein. Als Grandpa mitbekommt, dass wir abends noch einmal bei dem leckeren Stand neben der Trotrostation Fufu essen gehen wollen, lädt er uns ein, gemeinsam noch viel besseres Fufu zu essen. Wir fahren mehrere Stände und Restaurants an, beim letzten droht Grandpa scherzhaft „If they don‘t have Fufu, I‘ll cane them!“ - zum Glück gibt es welches. Später kommen noch Madam Gloria und Madam Gifty dazu und es wird ein richtiges Abschiedsessen!
Zurück an der Sygma setzen Lotte und ich uns mit dem Cider, den wir vor Wochen für diesen Moment gekauft haben, auf unsere geliebte Dachterrasse, genießen ein letzten Mal die schöne Aussicht auf die Lichter der Stadt und können uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass es jetzt vorbei sein soll und wir in wenigen Stunden wieder in Deutschland sein werden.
Richtig traurig sind wir allerdings nicht, dafür ist die Situation zu absurd und zu unvorstellbar.
Die letzten Stunden vorm Abflug verbringen wir mit Grandpa in Accra in dem schicken Haus seiner Tochter.
Wir unterhalten uns über die Sygma, dass wir die Kinder und Ghana überhaupt vermissen werden und Grandpa verspricht uns, immer ein Zimmer freizuhalten, damit wir jederzeit zu Besuch kommen können - das haben Lotte und ich auch fest vor!
Dann geht es zum Flughafen, wo wir alle anderen treffen und wenig später fliegen wir in die Nacht, Richtung Deutschland, weg von Ghana.
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